Das technische Potenzial von Groß- und Industriewärmepumpen

29. November 2017 von Thomas Nowak
Das technische Potenzial von Groß- und Industriewärmepumpen

Zusammenfassung

Wärmepumpen gelten als groß, wenn sie eine Leistung von 100 kW überschreiten. Sie können leicht den Bereich von einem bis mehreren Megawatt erreichen, wobei die größten Einheiten 35 MW in einer einzigen Maschine liefern. Die derzeit verfügbare Wärmepumpentechnologie kann Wärme bis zu 100°C mit einer Spanne zwischen Quellen- und Senken-Temperatur von ca. 50 K pro Stufe liefern. Das derzeitige Niveau der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie das zunehmende Interesse neuer Akteure an einem Engagement im Segment der Großwärmepumpen lässt Raum für Optimismus. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ein Gesamtpotenzial zur Verringerung der CO2-Emissionen von 86,2 Mio. t besteht, wobei 21,5 Mio. t (25 %) wirtschaftlich realisierbar sind. Es gibt folgende Hindernisse, Herausforderungen und Chancen, die den Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie einschränken: Extreme Anforderungen an die Rentabilität der Investition. Risikoaversion gegenüber Wärmepumpen, denen nicht vertraut wird, sondern die als neue, unbewiesene Technologie wahrgenommen werden, wird durch einen vergleichsweise niedrigen Preis für fossile Brennstoffe erschwert.

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Das technische Potenzial von Groß- und Industriewärmepumpen

Wärmepumpen werden als groß bezeichnet, wenn sie eine Leistung von 100 kW überschreiten. Sie können leicht den Bereich von einem bis mehreren Megawatt erreichen, wobei die größten Einheiten 35MW in einer einzigen Maschine bereitstellen.

Diederzeit verfügbare Wärmepumpentechnologie kann Wärme bis zu 100°C mit einer Spanne zwischen Quell- und Senkentemperatur von ca. 50 K pro Stufe liefern. Der Einsatz von Wärmepumpen für Anwendungen über 100°C ist immer noch eine Herausforderung. Zwar sind die zugrundeliegenden Prinzipien bekannt und es existieren Prototypen für diese Temperaturbereiche, aber sie sind noch nicht in Standardprodukten verfügbar. Der aktuelle Stand der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie das verstärkte Interesse neuer Akteure, in das Segment der Großwärmepumpen einzusteigen, lässt Raum für Optimismus. Es werden neue und verbesserte Produkte auf dem Markt erwartet.

Ohne bestehende Lösungen für Wärmepumpenanwendungen für Temperaturniveaus über 150°C wurde dieses Segment nicht in die aktuelle Potenzialabschätzung einbezogen.

Vor diesem Hintergrund wurden verfügbare Daten von Eurostat für ausgewertet, um das Potenzial für den Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie zu ermitteln.

Die Daten für 2012 für die EU-28 zeigen, dass die Industrie 3200 TWh Endenergie verbraucht und einen Wärmebedarf von ca. 2000 TWh hat. Abbildung 2 zeigt die Aufteilung dieses Wärmebedarfs.

 

 

Abbildung 2: Unterscheidung des Wärmebedarfs in der Industrie nach Sektor und Temperaturbereich. [1]

Diese Abschätzung ergibt ein praktisch erreichbares Potenzial für Wärmepumpen im Temperaturbereich bis 100°C von 68 TWh, hauptsächlich in den Branchen Chemie, Papier, Lebensmittel/Tabak und Holz (siehe blau schraffierte Balken in Abb. 2). Nimmt man die Bereiche Warmwasser und Raumheizung hinzu, ergeben sich weitere 74 TWh (siehe orange schraffierte Balken in Abb. 2). Mit technischem Fortschritt kann ein zusätzliches Potenzial von 32 TWh im Temperaturbereich von 100 bis 150°C erschlossen werden (siehe dunkelster blauer Balken in Abb. 2). Insgesamt können 174 TWh oder 8,7% des gesamten Wärmebedarfs in der Industrie durch Wärmepumpen bereitgestellt werden. Die höheren Temperaturbereiche, die in der obigen Grafik grau dargestellt sind, bleiben für die Wärmepumpentechnologie unzugänglich.

Das Ergebnis dieser Abschätzung zeigt das realistische Potenzial von Wärmepumpenanwendungen. Das technische Potenzial ist weitaus größer, kann aber aus praktischen Erwägungen oft nicht voll ausgeschöpft werden. Eine verfeinerte, modellbasierte Analyse, die von Wolf und Blesl durchgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass das technische Potenzial des Wärmepumpeneinsatzes in der Industrie in den 28 EU-Mitgliedsstaaten 1717 PJ (477 TWh) beträgt, wobei nur 270 (75 TWh) oder 15 % davon zugänglich sind, wenn wirtschaftliche und praktische Überlegungen angestellt werden. [1]

Somit führt der modellbasierte Ansatz zu einem größeren technischen Potenzial, aber zu einem viel geringeren wirtschaftlichen Potenzial.

Hauptfaktoren, die die wirtschaftliche Perspektive des Wärmepumpenbetriebs beeinflussen, sind

  • Kosten für fossile Brennstoffe
  • Kosten für Elektrizität
  • Zinssatz
  • Wirkungsgrad des Wärmepumpensystems
  • Gleichzeitige Verfügbarkeit von Wärmeangebot und Wärmebedarf, gleichzeitiger Bedarf an Heizung und Kühlung
  • Unterschiede bei den Investitionskosten.

Betriebskosteneinsparungen durch den Einsatz von Wärmepumpen sind möglich, wenn die relativen Kosten für fossile Brennstoffe und Strom kleiner sind als der Wirkungsgrad der Wärmepumpenanlage. Bei einem ziemlich verzerrten Energiepreis wird dies immer schwieriger, da viele Regierungen die Kosten für die Ökologisierung des Stromsystems über die Stromkosten selbst wieder hereinholen. Gleichzeitig spiegelt der Preis für fossile Brennstoffe nicht die negativen Umweltauswirkungen ihrer Nutzung wider. Die relativen Kosten der Wärmebereitstellung sprechen also für fossile Brennstoffe.

 

 

Abbildung 3: Industrielles Wärmepumpenpotenzial in der EU-28 [2]

Da ein direkter Zusammenhang zwischen der Senkung der Energienachfrage und den CO2-Emissionen besteht, wird die Erweiterung des wirtschaftlichen Potenzials der Nachfragereduzierung auch die CO2-Emissionen des Industriesektors reduzieren. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Gesamtpotenzial zur Reduzierung der CO2-Emissionen 86,2 Mt beträgt, wovon 21,5 Mt (25 %) wirtschaftlich realisierbar sind.

Hindernisse, Herausforderungen und Chancen

Die Haupthindernisse, die den Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie einschränken, sind wie folgt

  • Extreme Anforderungen an den Return of Investment, oft werden nicht mehr als 2 Jahre akzeptiert. Dies wird zusätzlich erschwert durch einen vergleichsweise niedrigen Preis für fossile Energie.
  • Risikoaversion, insbesondere gegenüber Wärmepumpen, denen nicht vertraut wird, sondern die als neue, unbewährte Technologie wahrgenommen werden.
  • Begrenzte oder fehlende Verfügbarkeit von Best-Practice-Beispielen, die Vertrauen in neue Lösungen schaffen könnten.
  • Strukturelle Barrieren in der Industrie wie hohe Transaktionskosten für die Umstellung von Prozessen, da viele alte Prozesse auf Dampf basieren oder die Notwendigkeit, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu integrieren, um eine Systemperspektive zu realisieren, um industrielle Prozesse und kommerzielle Anwendungen energetisch zu optimieren

Sowohl das Energieeinspar- als auch das CO2-Minderungspotenzial von Wärmepumpen in industriellen Anwendungen ist noch weitgehend ungenutzt. Durch die Schaffung günstigerer politischer Rahmenbedingungen lässt sich dieser Trend umkehren. Dazu gehören

  • Hinzufügen eines Preissignals für die Nutzung fossiler Brennstoffe
  • Reduzierung der Belastung durch Steuern und Abgaben auf zunehmend sauberen Strom
  • Bereitstellung von niedrigen Zinssätzen und Kreditbürgschaften für energieeffiziente Investitionen mit kohlenstoffarmen Technologien wie Wärmepumpen
  • Verstärkte Forschung und Entwicklung von standardisierten Wärmepumpenlösungen für die identifizierten Industriesektoren
  • Mehr Best-Practice-Beispiele bereitstellen.

Es ist eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Industrie notwendig, um das technische und wirtschaftliche Potenzial von Wärmepumpenanwendungen in der Industrie zu erschließen. Beide müssen an einem Strang (und in dieselbe Richtung) ziehen, um das Potenzial voll auszuschöpfen.

Hinweis auf den Europäischen Wärmepumpenverband (EHPA) aisbl: Der Artikel ist Teil der Broschüre "Großwärmepumpen in Europa", die aus der Arbeit der EHPA-Arbeitsgruppe für industrielle und gewerbliche Wärmepumpen hervorgegangen ist. Wenn Sie Fragen zum Einsatz von Wärmepumpen in den vorgestellten oder anderen Anwendungsbereichen haben, wenden Sie sich bitte an den Vorsitzenden, Eric Delforge, über das Sekretariat des Verbandes unter info@ehpa.org.

 

 

Weblink: http://www.ehpa.org/

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Quellen: [1] Wolf, S.; Blesl, M.: Model-based quantification of the contribution of industrial heat pumps to the European climate change mitigation strategy. In: 2016: Proceedings of the ECEEE Industrial Efficiency Conference 2016. Berlin, 12.-14.09.2016. Stockholm, 2016

 


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