Wärmepumpen: Vision vs. Realität

03. November 2016 von Thomas Nowak
Wärmepumpen: Vision vs. Realität

Zusammenfassung

Die Wärmepumpentechnologie liefert immer gleichzeitig Wärme und Kälte. Es ist eine Frage der richtigen Systemauslegung, beide Seiten zu nutzen und so die Einbahnstraße der Energienutzung in eine kreislauforientierte Energiewirtschaft zu verwandeln. Der Einsatz von Wärmepumpen für Anwendungen mit einem Wärmebedarf von über 100°C ist noch eine Herausforderung. In den kommenden Jahren wird eine Reihe von neuen Produkten auf dem Markt erwartet. In Ermangelung bestehender Lösungen für Wärmepumpenanwendungen für Temperaturniveaus über 150°C wurde dieses Segment in der aktuellen Potenzialabschätzung nicht berücksichtigt. Mit der derzeit verfügbaren Technologie können Wärmepumpen Wärme auf Temperaturniveaus

von Luft bis Wasser liefern. Im Jahr 2012 zeigen die Daten für die EU-28, dass die Industrie 3200 TWh Endenergie verbraucht und einen Wärmebedarf von ca. 2000 TWh hat, hauptsächlich in der Chemie-, Papier- und Tabakindustrie. Die Industrie nutzt in der Industrie nach Sektoren und Temperaturbereichen von 68°C das Potenzial für Wärmepumpen.

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Wärmepumpen: Vision vs. Realität

 

Vision vs. Realität - warum politisches Eingreifen unerlässlich ist, um das Energieeinsparpotenzial von Wärmepumpen in industriellen und gewerblichen Anwendungen freizusetzen.

Gebäude benötigen eine angenehme Innentemperatur und Luftqualität, Temperaturniveaus in industriellen Prozessen müssen punktgenau geregelt werden, Güter in Lagerung und Transport benötigen eine kontrollierte Atmosphäre - dies sind nur einige Beispiele, bei denen Heizen und Kühlen in einer modernen Gesellschaft unerlässlich ist.

Viel zu oft werden beide Leistungen noch getrennt voneinander betrachtet. Heizkessel werden installiert, um zu heizen, Klima- und Kälteanlagen, um zu kühlen. Selten werden beide als zwei Seiten der gleichen Medaille gesehen. Die Folge ist, dass in Abluft oder Wasser gespeicherte Energie an die Umwelt abgegeben wird und damit für eine weitere Nutzung verloren geht.

Wenn in einem Gebäude Warmwasser durch einen Heizkessel erwärmt und eine Klimaanlage zur Abkühlung der Raumlufttemperatur eingesetzt wird, wird Energie verschwendet. Wenn in einem industriellen Prozess fossile Energie verbrannt wird, um im ersten Schritt zu heizen und dann ein Zwischen- oder Endprodukt abgekühlt wird, wird Energie verschwendet. Wenn industrielle Produktionsanlagen durch Kühlgeräte gekühlt oder nahe gelegene Büros durch separate Geräte beheizt werden, wird Energie verschwendet. Kurz gesagt, immer dann, wenn Heiz- und Kühlanforderungen unabhängig voneinander gelöst werden, ohne eine Systemperspektive einzunehmen, ist die Wahrscheinlichkeit der Energieverschwendung hoch. Die Wärmepumpentechnologie bietet Heizung und

Kühlung immer zur gleichen Zeit. Es ist eine Frage der richtigen Systemauslegung, beide Seiten zu nutzen und so aus der Einbahnstraße der Energienutzung eine Kreislaufwirtschaft zu machen. Das Potenzial geschlossener Kreisläufe ist in industriellen Anwendungen besonders hoch. Im Jahr 2015 hat die Arbeitsgruppe für industrielle und gewerbliche Wärmepumpen (ICHP) der European Heat Pump Association das Potenzial von nicht-häuslichen Wärmepumpenanwendungen zum Heizen und Kühlen untersucht. Die Autoren dieser Studie, Philippe Nellissen und Stefan Wolf, haben den Bericht als "Potenzial für eine industrielle Revolution" betitelt [1].

Wärmepumpentechnologien sind dafür bekannt, dass sie zur Erreichung der Energie- und Klimaziele der EU beitragen. Sie

  • reduzieren den Energiebedarf und die CO2-Emissionen.
  • integrieren erneuerbare Energien und tragen zur Dekarbonisierung des Systems bei.
  • können Abwärme nutzbar machen.
  • bieten Demand-Response-Potenzial und helfen, das Stromnetz zu stabilisieren.
  • bieten lokale Arbeitsplätze und halten Know-how in F&E
  • nutzen lokale Energie und reduzieren die Importabhängigkeit.

Die Wärmepumpentechnologie ist weithin als praktikable Lösung im Wohnbereich akzeptiert, wo sie hauptsächlich erneuerbare Energie aus Luft, Wasser und Boden für die Heizung und Warmwasserbereitung nutzt. Weitaus weniger bekannt ist die Möglichkeit, Abwärmeströme durch Anhebung ihrer Temperatur aufzuwerten und so zur Deckung des Wärmebedarfs von Anwendern in der Nähe zu nutzen. Dies gilt überall dort, wo gleichzeitig gekühlt und geheizt werden muss, z. B. bei vielen industriellen Prozessen in der Lebensmittel-, Papier- oder chemischen Industrie.[1]

Die Wärmepumpentechnik kann das Energieniveau dieser Quellen auf das gewünschte Niveau einer anderen Anwendung anheben oder absenken und so einzelne Energiekreisläufe zu einer Kaskade verbinden, die schließlich wieder geschlossen werden kann. Während der Markt für Wärmepumpen in Wohngebäuden von elektrischen Kompressionswärmepumpen dominiert wird, kommen in industriellen und gewerblichen Anwendungen eine Vielzahl von Wärmepumpentechnologien zum Einsatz (siehe Abb. 1).

 

 

Abbildung 1: Klassifizierung von Wärmepumpentechnologien. Quelle: Wolf/Nellissen 2015 [1]

 

Mit der derzeit verfügbaren Technologie können Wärmepumpen Wärme auf Temperaturniveaus bis zu 100 °C mit einer Spreizung zwischen Quell- und Senkentemperatur von ca. 50 K pro Stufe bereitstellen. Dies ist wichtig zu beachten, da zweistufige Wärmepumpenanlagen eine größere Spreizung abdecken können.

 

Der Einsatz von Wärmepumpen für Anwendungen mit einem Wärmebedarf über 100°C ist noch eine Herausforderung. Zwar sind die Grundprinzipien für solche Wärmepumpen bekannt und es existieren Prototypen für diese Temperaturbereiche, aber sie sind noch nicht in Standardprodukten verfügbar. Der aktuelle Stand der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie das verstärkte Interesse neuer Akteure, in das Segment der Großwärmepumpen einzusteigen, lässt Raum für Optimismus. In den kommenden Jahren wird eine Reihe von neuen Produkten auf dem Markt erwartet.

Ohne bestehende Lösungen für Wärmepumpenanwendungen für Temperaturniveaus über 150°C wurde dieses Segment nicht in die aktuelle Potenzialabschätzung einbezogen. Vor diesem Hintergrund wurden verfügbare Daten von Eurostat für ausgewertet, um das Potenzial für den Einsatz von Wärmepumpen in diesen Industriesektoren zu ermitteln:

  1. Eisen und Stahl/Nichteisenmetalle
  2. Chemie und Erdöl
  3. Nicht-metallische Mineralien
  4. Papier, Zellstoff und Druck
  5. Nahrungs- und Genussmittelmaschinen
  6. Holz und Holzprodukte
  7. Transportausrüstung
  8. Textil und Leder
  9. Sonstige

Die Daten für 2012 für die EU-28 zeigen, dass die Industrie 3200 TWh Endenergie verbraucht und einen Wärmebedarf von ca. 2000 TWh hat. Abbildung 2 zeigt die Aufteilung dieses Wärmebedarfs nach analysiertem Sektor und abgedecktem Temperaturbereich.

 

Abbildung 2: Unterscheidung des Wärmebedarfs in der Industrie nach Sektor und Temperaturbereich. [1]

Aus dieser Abschätzung ergibt sich ein praktisch erreichbares Potenzial für Wärmepumpen im Temperaturbereich bis 100°C von 68 TWh, hauptsächlich in den Branchen Chemie, Papier, Lebensmittel/Tabak und Holz (siehe blau schraffierte Balken in Abb. 2). Nimmt man die Bereiche Warmwasser und Raumheizung hinzu, ergeben sich weitere 74 TWh (siehe orange schraffierte Balken in Abb. 2). Mit technischem Fortschritt kann ein zusätzliches Potenzial von 32 TWh im Temperaturbereich von 100 bis 150°C erschlossen werden (siehe dunkelster blauer Balken in Abb. 2). Insgesamt können 174 TWh oder 8,7% des gesamten Wärmebedarfs in der Industrie durch Wärmepumpen bereitgestellt werden.

 

Die höheren Temperaturbereiche, die in der obigen Grafik grau dargestellt sind, bleiben für die Wärmepumpentechnologie unzugänglich.

Das Ergebnis dieser Abschätzung zeigt das realistische Potenzial von Wärmepumpenanwendungen. Eine verfeinerte, modellbasierte Analyse von Wolf und Blesl kommt zu dem Ergebnis, dass das technische Potenzial des Wärmepumpeneinsatzes in der Industrie in den 28 EU-Mitgliedsstaaten 1717 PJ (477 TWh) beträgt, wovon aber nur 270 (75 TWh) oder 15 % unter wirtschaftlichen und praktischen Gesichtspunkten zugänglich sind. 2] Somit führt der modellbasierte Ansatz zu einem größeren technischen Potenzial, aber zu einem viel geringeren wirtschaftlichen Potenzial.

Hauptfaktoren, die die wirtschaftliche Perspektive des Wärmepumpenbetriebs beeinflussen, sind

  • Kosten für fossile Brennstoffe
  • Kosten für Elektrizität
  • Zinssatz
  • Wirkungsgrad des Wärmepumpensystems
  • Gleichzeitige Verfügbarkeit von Wärmeangebot und Wärmebedarf, gleichzeitiger Bedarf an Heizung und Kühlung
  • Unterschiede bei den Investitionskosten.

Betriebskosteneinsparungen durch den Einsatz von Wärmepumpen sind möglich, wenn die relativen Kosten für fossile Brennstoffe und Strom kleiner sind als der Wirkungsgrad der Wärmepumpenanlage. Bei einem ziemlich verzerrten Energiepreis wird dies immer schwieriger, da viele Regierungen die Kosten für die Ökologisierung des Stromsystems über die Stromkosten selbst wieder hereinholen. Gleichzeitig spiegelt der Preis für fossile Brennstoffe nicht die negativen Umweltauswirkungen ihrer Nutzung wider. Die relativen Kosten der Wärmebereitstellung sprechen also für fossile Brennstoffe.

 

Abbildung 3: Industrielles Wärmepumpenpotenzial in der EU-28 [2]

Da ein direkter Zusammenhang zwischen der Senkung der Energienachfrage und den CO2-Emissionen besteht, wird die Erweiterung des wirtschaftlichen Potenzials der Nachfragereduzierung auch die CO2-Emissionen des Industriesektors reduzieren. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Gesamtpotenzial zur Reduzierung der CO2-Emissionen 86,2 Mt beträgt, wovon 21,5 Mt (25 %) wirtschaftlich realisierbar sind.

Hindernisse, Herausforderungen und Chancen

Die Haupthindernisse, die den Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie einschränken, sind wie folgt

  • Extreme Anforderungen an den Return of Investment, oft werden nicht mehr als 2 Jahre akzeptiert. Dies wird zusätzlich erschwert durch einen vergleichsweise niedrigen Preis für fossile Energie.
  • Risikoaversion, insbesondere gegenüber Wärmepumpen, denen nicht vertraut wird, sondern die als neue, unbewährte Technologie wahrgenommen werden.
  • Begrenzte oder keine Verfügbarkeit von Best-Practice-Beispielen, die Vertrauen in neue Lösungen schaffen könnten.
  • Strukturelle Barrieren in der Branche

 

 

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Hohe Transaktionskosten für die Umstellung von Prozessen, da viele alte Prozesse auf Dampf basieren

 

 

 

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Notwendigkeit, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu integrieren, um eine Systemperspektive zu realisieren, um industrielle Prozesse und kommerzielle Anwendungen energetisch zu optimieren

Sowohl das Energieeinspar- als auch das CO2-Minderungspotenzial von Wärmepumpen in industriellen Anwendungen ist noch weitgehend ungenutzt. Durch die Schaffung günstigerer politischer Rahmenbedingungen lässt sich dieser Trend umkehren. Dazu gehören

  • Hinzufügen eines Preissignals für die Nutzung fossiler Brennstoffe
  • Reduzierung der Belastung durch Steuern und Abgaben auf zunehmend sauberen Strom
  • Bereitstellung von niedrigen Zinssätzen und Kreditbürgschaften für energieeffiziente Investitionen mit kohlenstoffarmen Technologien wie Wärmepumpen
  • Verstärkte Forschung und Entwicklung von standardisierten Wärmepumpenlösungen für die identifizierten Industriesektoren
  • Mehr Best-Practice-Beispiele bereitstellen.

Es ist eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Industrie notwendig, um das technische und wirtschaftliche Potenzial von Wärmepumpenanwendungen in der Industrie zu erschließen. Beide müssen an einem Strang (und in dieselbe Richtung) ziehen, um das Potenzial voll auszuschöpfen.

 

 

Autor: Thimas Nowak, EHPA

Der Autor dankt Stefan Wolf, Universität Stuttgart, und den Mitgliedern von EHPAs ICHP-Gruppe für den zur Verfügung gestellten Input.

 

Quellen:

[1] Nellissen, P.; Wolf, S.: Heat pumps in non-domestic applications in Europe: Potential für eine Energiewende. Vortrag gehalten auf dem 8. EHPA European Heat Pump Forum, 29.5.2015, Brüssel, Belgien .

[2] Wolf, S.; Blesl, M.: Model-based quantification of the contribution of industrial heat pumps to the European climate change mitigation strategy. In: 2016: Proceedings of the ECEEE Industrial Efficiency Conference 2016. Berlin, 12.-14.09.2016. Stockholm, 2016

 

Hinweis auf die European Heat Pump Association (EHPA) aisbl:

EHPA ist ein in Brüssel ansässiger Industrieverband, dessen Ziel es ist, das Bewusstsein und den richtigen Einsatz der Wärmepumpentechnologie auf dem europäischen Markt für private, gewerbliche und industrielle Anwendungen zu fördern. EHPA liefert technischen und wirtschaftlichen Input für europäische, nationale und lokale Behörden in Fragen der Gesetzgebung, Regulierung und Energieeffizienz. EHPA hat kürzlich eine Arbeitsgruppe für industrielle und gewerbliche Wärmepumpen (ICHP) eingeführt, um die Anerkennung für diesen Anwendungsbereich und sein Beitragspotenzial zu den Klima- und Energiezielen der EU zu erhöhen.

 


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