Was ist kalte Nahwärme?

18. Mai 2021 von Andreas Kuehl
Was ist kalte Nahwärme?

Zusammenfassung

Kalte Nahwärme ist eine Wärmeversorgung mit relativ niedrigen Temperaturen. Das Prinzip der Wärmeversorgung ist vor allem unter dem Aspekt des Klimaschutzes interessant. Es ermöglicht die Nutzung von Abwärme aus der Industrie oder erneuerbaren Energien. Eine Machbarkeitsstudie muss nachweisen, dass durch niedrigere Temperaturen Kosten, Energie oder CO2-Emissionen eingespart werden. Dieser Artikel zeigt, was kalte Nahwärme genau bedeutet, wo ihre Vorteile liegen und welche Fördermöglichkeiten es gibt. Er enthält auch einige praktische Beispiele für diese Art von Wärme. Für das BMWi bieten Wärmepumpen und saisonale Großspeicher die Möglichkeit, schwer zu dämmende Gebäudebestände mit hohen Anteilen an klimafreundlicher Wärme zu versorgen.

Klimafreundliche Wärme. Das BMWi fördert zunächst Machbarkeitsstudien mit bis zu 60 Prozent der Kosten eines Wärmenetzsystems 4.0, in einem zweiten Schritt soll die Realisierung des Projekts mit bis zu 50 Prozent der förderfähigen Gesamtkosten realisiert werden. Zurück zu MailOnline Hauswärme ist im Netz.

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Was ist kalte Nahwärme?

Es klingt auf den ersten Blick merkwürdig, wenn die kalte Nahwärme die Wärmeversorgung übernehmen soll. Ist das ein Gegensatz? Nein, kalte Wärme gibt es wirklich. Es handelt sich um eine Wärmeversorgung mit relativ geringen Temperaturen. Diese sind im Vergleich zu herkömmlichen Wärmenetzen schon fast kalt - daher die Bezeichnung. Was kalte Nahwärme genau bedeutet, wo ihre Vorteile liegen und welche Förderung es gibt, zeigt dieser Artikel. Hinzu kommen noch einige Beispiele aus der Praxis.


Was ist kalte Nahwärme?

Eine Wärmeversorgung über Wärmenetze, Fernwärme oder Nahwärme, hat üblicherweise eine Vorlauftemperatur von 70 bis über 100 Grad Celsius. Wärmenetze in dicht bebauten Siedlungen oder im Quartier können auch mit sehr geringen Temperaturen auskommen, zwischen 8 und 30 Grad Celsius. Um die notwendige Temperatur zu erreichen, werden in den Häusern dezentrale Wärmepumpen eingesetzt. Durch die geringen Temperaturen im Wärmenetz entsteht nur ein kleiner Unterschied zur Temperatur im Erdreich. Eine Dämmung der Rohre ist damit nicht notwendig, im Idealfall kann das Netz auch Wärme aus der Umgebung aufnehmen. Aus Gründen des Frostschutzes strömt in der Regel ein Wasser-Glykol-Gemisch (Sole) durch die Rohrleitungen.


Diese Art der Wärmenetze bezeichnet man als kalte Nahwärme, physikalisch korrekt als Anergienetze oder auch Wärmenetze 4.0. Über Wärmenetze liest man immer häufiger, sie gewinnern an Bedeutung.


Auch bei diesen geringen Temperaturen ist eine Wärmequelle vorhanden Je nach Aufbau des Netzes ist auch ein umgekehrter Betrieb zur Kühlung der Gebäude möglich.


Für die kalte Nahwärme kommen unterschiedliche Wärmequellen infrage. Besonders im Hinblick auf den Klimaschutz ist dieses Prinzip der Wärmeversorgung interessant, denn damit kann Abwärme aus der Industrie oder von erneuerbaren Energien genutzt werden.


Vorteile der kalten Nahwärme

Eine Wärmeversorgung mit dem Prinzip der kalten Nahwärme hat einige Vorteile, die es sehr interessant machen.


  • Die Rohrleitungen benötigen durch die Temperaturen nahe der Umgebungstemperatur keine Wärmedämmung. Es treten keine oder nur geringe Verluste im Leitungsnetz auf. Im Idealfall kann dadurch sogar Wärme aus dem Erdreich aufgenommen werden. Dies reduziert die Kosten.
  • Es können unterschiedliche Wärmequellen zum Einsatz kommen, je nach lokalem Angebot und Verfügbarkeit. Abwärme und erneuerbare Energien, wie Geothermie und Solarthermie, können genutzt werden. Damit ist diese Art der Wärmeversorgung interessant für die Wärmewende auf dem Weg zu CO2-freien Heizsystemen.
  • Die Speicherung von Wärme benötigt durch die niedrigen Temperaturen keine aufwändige Dämmung, wird damit deutlich günstiger.
  • Durch die konstante Temperatur der Wärmequelle erreichen die Wärmepumpen eine Jahresarbeitszahl von 4,0 oder höher.
  • Bei der kalten Nahwärme ist das wirtschaftliche Risiko des Betreibers durch einen geringeren Wärmeverlust kleiner, als bei klassischen Wärmenetzen. Daher wird in der Regel auf den unbeliebten Anschlusszwang verzichtet und Eigentümer oder Bauherren haben weiter eine freie Wahl für ihr Heizsystem.
  • Nahwärmenetze sind generell eine gute Chance für Bürgerenergiegenossenschaften, die lokale Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen und diese selbst zu betreiben.


Nachteile der Wärmeversorgung mit kalten Nahwärmenetzen

Die Nachteile der kalten Nahwärme will ich nicht verschweigen, daher ergänze ich den Text (nachträglich):

  • Hohe Investitionskosten für Eigenheimbesitzer für Wärmepumpe und für Anschluss an das Nahwärmenetz.
  • Durch die geringe Temperaturdifferenz zwischen Vorlauf und Rücklauf und das niedrige Temperaturniveau sind große Volumenströme erforderlich. Damit werden größere Durchmesser bei den Rohrleitungen und ein höherer Strombedarf für die Pumpen notwendig.


Förderung für die kalte Nahwärme

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert seit dem 01.07.2017 Machbarkeitsstudien und die Realisierung von Wärmenetzsystemen 4.0. Auch wenn das Temperaturniveau in den Förderbedingungen von mindestens 20 Grad Celsius ausgeht, kann diese Förderung auch für die kalte Nahwärme gewährt werden. Eine Machbarkeitsstudie muss bei geringeren Temperaturen nachweisen, dass dadurch Kosten, Energie oder CO2-Emissionen eingespart werden.


Die Förderung für Wärmenetze 4.0 ist das erste Förderprogramm mit dem nicht nur Einzeltechnologien und -komponenten, sondern Gesamtsysteme gefördert werden. Für das BMWi zeichnen sich Wärmenetze der vierten Generation durch hohe Anteile erneuerbarer Energien, die effiziente Nutzung von Abwärme und ein deutlich niedrigeres Temperaturniveau im Vergleich zu klassischen Wärmenetzen aus. Dies minimiert die Verluste, steigert die Effizienz und erleichtert den Umstieg auf Erneuerbare Energien in der Nah- und Fernwärmeversorgung. Solche Systeme können durch die Kombination von Wärmepumpen und saisonalen Großwärmespeichern zusätzliche Flexibilität für den Strommarkt bereitstellen und bieten die Chance, nur schwer dämmbare Gebäudebestände mit hohen Anteilen klimafreundlicher Wärme zu versorgen.


Das BMWi fördert zunächst Machbarkeitsstudien mit bis zu 60 Prozent, sowie in einem zweiten Schritt die Realisierung eines Wärmenetzsystems 4.0 mit bis zu 50 Prozent der förderfähigen Gesamtkosten des Vorhabens. Informationen zu den technischen Anforderungen und die Antragsstellung erfolgt über das BAFA.


Praxisbeispiele für die kalte Nahwärme

Anschaulich wird die kalte Nahwärme anhand einiger Beispielen aus der Praxis:


Oberflächennahe Geothermie in Schifferstadt

Auf Initiative und mit Unterstützung der Energieagentur Rheinland-Pfalz hat sich die Stadt Schifferstadt für ein kaltes Nahwärmenetz entschieden. Das Netz wird von den Stadtwerken Schifferstadt betrieben und ist seit Januar 2017 in Betrieb. Als Wärmequelle dient hier das Erdreich. Dazu wurden Sonden in einem zentralen Bohrfeld eingebracht und an ein Ringleitungsnetz angeschlossen. In diesem Netz zirkuliert ein Wasser-Glykol-Gemisch, das die Wärme des Erdreichs mit seinen ganzjährig konstanten Temperaturen von zehn bis zwölf Grad Celsius, aufnimmt. Die aufgenommene Energie wird über das Ringleitungsnetz zu den Gebäuden transportiert. Dort sorgen Wärmepumpen dafür, dass Energie aus dem Netz das gewünschte Temperaturniveau erreicht.


Im Sommer lässt sich das Prinzip umkehren und die Wohnräume können wirtschaftlich und ökologisch gekühlt werden. Die aufgenommene Wärme wird durch die Leitungen zurück ins Erdreich geführt und ermöglicht damit gleichzeitig eine Regeneration des Erdsondenfeldes.


Nutzung der industriellen Abwärme in der Marktgemeinde Meitingen

Für das Niedertemperaturnetz in einem Neubaugebiet der bayerischen Marktgemeinde Meitingen wird die komplette Abwärme aus einem benachbarten Industrie-Unternehmen genutzt. Die SGL Carbon GmbH stellt den rund 125 Wohneinheiten kostenlos die industrielle Abwärme in Form von etwa 31 °C warmem Wasser zur Verfügung. Durch das ganzjährig hohe Temperaturniveau der Abwärme können die Wärmepumpen sehr effektiv arbeiten.


Das Wasser stammt aus der Kühlung der Produkte, deren Herstellungsprozesse hohe Temperaturen von bis zu 3.000° C benötigen. Um die dabei hergestellten Produkte wieder abzukühlen, wird Kühlwasser eingesetzt, das sich dabei auf etwa 30° C erwärmt. Dieses Kühlwasser dient nun als Wärmequelle für die Heizungen im Neubaugebiet. Mit Strom aus erneuerbaren Energien können die Wärmepumpen zu den Zeiten betrieben werden, wenn ausreichend Strom zur Verfügung steht. Die Wärme wird in einem Pufferspeicher zwischengespeichert.


Die Unternehmen haben sich freiwillig dazu bereit erklärt, das warme Kühlwasser für 20 Jahre kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Pro Stunde werden ca. 40 Kubikmeter in die Nahwärmeleitung gespeist. Pro Jahr kann das bis zu 1,5 Mio. Kilowattstunden Energie ergeben, was der Heizleistung von etwa 150.000 Litern Heizöl entspricht. 


Anschließend wird das energieärmere, abgekühlte Wasser zum Werk zurückgeführt und wieder zur Kühlung genutzt – der Kreislauf beginnt von vorn. (Quelle: KUMAS Umweltnetzwerk)


Vollständiger Originaltext unter

www.energynet.de/2018/01/17/kalte-nahwaerme/


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