Fallbeispiele
Wie bringen wir die Renovierungswelle in Deutschland ins rollen?
Zusammenfassung
Die Europäische Union hat im vergangenen Herbst eine große Renovierungswelle angekündigt. Sie will die Renovierungsrate im Gebäudebestand in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Effiziente Neubauten sind wichtig, tragen aber wenig zur Erreichung der Klimaschutzziele bei. Ohne zusätzliche Maßnahmen werden die CO2-Emissionen aus dem Gebäudesektor im Jahr 2030 um 28 Millionen Tonnen höher sein als im Klimaschutzplan der Bundesregierung vorgesehen. Mitte Oktober 2020 hat die EU-Kommission ihre Strategie für eine Sanierungswelle zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden in Europa veröffentlicht. Dies soll die Lebensqualität der Menschen verbessern, die Treibhausgasemissionen reduzieren und die Digitalisierung unterstützen. Ein wichtiger Hintergrund der Renovierungswelle ist, dass sich viele Millionen Europäer:innen die Beheizung ihrer Wohnungen nicht leisten können. Die Verbesserung der Energieeffizienz dient auch der Bekämpfung der Energiearmut und der Verbesserung der Gesundheit der Menschen. Um Nachhaltigkeit und Design in Einklang zu bringen, soll ein neues europäisches Bauhaus ins Leben gerufen werden, das Ästhetik und Bezahlbarkeit mit künstlerischem Anspruch in einer nachhaltigen Zukunft in Einklang bringt, so die Kommission.
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Wie bringen wir die Renovierungswelle in Deutschland ins rollen?
Die Europäische Union hat im letzten Herbst eine große Renovierungswelle angekündigt. Sie möchte die Sanierungsrate im Gebäudebestand in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Das ist auch dringend notwendig, denn Gebäude spielen eine wichtige Rolle für den Klimaschutz. Über die Erhöhung der Sanierungsrate diskutieren wir in Deutschland schon viele Jahre, geändert hat sich in der Zeit aber nicht viel. Ist die europäische Renovierungswelle das, was uns noch gefehlt hat? Wann wird sie durch Deutschland rollen? Diesen Fragen gehe ich in dem folgenden Text nach.
Bedeutung der Sanierung in Deutschland
Gebäude sind für etwa 14 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Wenn wir Fernwärme und Stromerzeugung einbeziehen, sind es gut 30 Prozent. Daher ist es von großer Bedeutung für den Klimaschutz bestehende Gebäude zu betrachten und ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Effiziente Neubauten sind wichtig, aber sie tragen nur wenig zum Erreichen der Klimaschutzziele bei. Im Gegenteil, jeder Neubau erhöht die Emissionen zusätzlich.
Etwa zwei Drittel der Gebäude in Deutschland stammt noch aus der Zeit vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 (Quelle: BMU). Wie viele davon bereits saniert sind, im besten Fall auf den heutigen Stand der Technik, konnte ich nicht herausfinden.
Aber wir sind auf keinem guten Weg, denn falls keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden, liegen die CO2-Emissionen aus dem Gebäudesektor 2030 um 28 Millionen Tonnen höher, als im Klimaschutzplan der Bundesregierung vorgesehen (Quelle: dena Gebäudereport 2019). Das Ziel liegt bei 70 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. 2019 lagen wir bei 118 Millionen und im Ausgangsjahr 1990 bei 210 Millionen Tonnen (Quelle: Bundesregierung). Interessant ist die Frage, welche Art von Gebäuden wir betrachten müssen. Den größten Anteil am Endenergieverbrauch bei Gebäuden haben Ein- und Zweifamilienhäuser mit einem Anteil von 39 Prozent. Wohngebäude haben insgesamt einen Anteil am Gebäudeenergieverbrauch von 64 Prozent (Quelle: dena Gebäuderport 2019).
Wo steht die Sanierung in Deutschland?
Nach Angaben des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen wurden zwei Drittel aller Wohnungen der Wohnungswirtschaft bereits energetisch modernisiert, 29 Prozent wurden teilweise energetisch modernisiert.
Es fehlt eigentlich nicht mehr viel zur vollständigen Sanierung, dennoch liegt die Sanierungsrate in Deutschland seit Jahren nur bei knapp einem Prozent.
Liegt das nur an den Einfamilienhäusern? Aufgrund des relativ hohen Investitionsvolumens werden diese Häuser nur schrittweise mit Einzelmaßnahmen saniert. Hier mal neue Fenster, dort eine neue Heizung und vielleicht noch ein bisschen Wärmedämmung. Im besten Falle liegt der schrittweisen Sanierung ein individueller Sanierungsfahrplan eines Energieberaters zu Grunde.
Immerhin gibt es für die energetische Gebäudesanierung seit Anfang 2020 eine attraktivere Förderung. Dazu gehört eine steuerliche Förderung und bessere Konditionen in den Programmen Energieeffizientes Bauen und Sanierung der KfW.
Während die Förderung im Neubau stark nachgefragt ist, geht nur ein kleiner der Teil der zur Verfügung stehenden Mittel in die Sanierung. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe DUH landen 60 Prozent der Fördermittel im Neubau.
Vor drei Jahren hatte ich bereits über Lösungsansätze zur Steigerung der Sanierungsrate geschrieben. Wichtig waren die Vereinfachung der Förderung, gebäudespezifische Energiekonzepte und der Besuch einer energetisch sanierten Immobilie. Wie die neue Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ankommt, müssen wir noch abwarten. Darüber hinaus ist das lokale Konzept mit der Ansprache der Eigentümer:innen wichtig. Das Beispiel Bottrop ist anscheinend immer noch ohne Nachahmer – bei einer Sanierungsrate von drei Prozent!
Renovierungswelle der EU soll Effizienz von Gebäuden steigern
Mitte Oktober 2020 hat die Europäische Kommission ihre Strategie für eine Renovierungswelle zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden in Europa veröffentlicht. Mit dieser Strategie möchte sie die Sanierungsquote in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppeln. Dadurch sollen die Lebensqualität der Menschen verbessert, die Treibhausgasemissionen verringert und die Digitalisierung unterstützt werden. Die Renovierungswelle hat das Ziel, die Renovierung von Gebäuden mit der geringsten Energieeffizienz zu fördern und die Energiearmut zu bekämpfen.
Ein wesentlicher Hintergrund der Renovierungswelle ist, dass viele Millionen Europäer:innen es sich nicht leisten können ihre Wohnung zu beheizen. Die Verbesserung der Energieeffizienz dient auch zur Bekämpfung der Energiearmut und zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen.
Um Nachhaltigkeit mit Design in Einklang zu bringen, soll ein neues europäisches Bauhaus auf den Weg gebracht werden. Die Kommission möchte eine neue Ästhetik fördern und Leistbarkeit mit künstlerischem Anspruch in einer nachhaltigen Zukunft verbinden.
Mit der Renovierungswelle möchte die Kommission den Beitrag der Gebäude zum Emissionsminderungsziel von 55 Prozent bis 2030 unterstützen. Das bedeutet, Gebäude müssen ihre Treibhausgasemissionen um 60 Prozent, ihren Energieverbrauch um 14 Prozent und den Heiz- und Kühlenergieverbrauch um 18 Prozent reduzieren.
6 Säulen der Renovierungswelle
Die Strategie beruht auf sechs Säulen:
- Strengere Vorschriften für die Energieeffizienz von Gebäuden, inklusive Mindestnormen für bestehende Gebäude, aktualisierte Vorschriften für Energieeffizienzausweise und eine Ausweitung der Renovierungsanforderungen für den öffentlichen Sektor
- Sicherstellung einer leicht zugänglichen und gezielten Finanzierung, inklusive Anreize für private Finanzierungen
- Ausbau der Kapazitäten für die Durchführung von Renovierungen, inklusive Unterstützung der beteiligten Behörden, sowie Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Fachkräfte
- Ausweitung eines Marktes für nachhaltige Bauprodukte und -leistungen, inklusive einer Überarbeitung von Rechtsvorschriften und Zielvorgaben über die Wiederverwendung, bzw. -verwertung
- ein neues europäisches Bauhaus als interdisziplinäres Beratungsgremium
- Entwicklung stadtteilbezogener Konzepte für lokale Gemeinschaften, mit intelligenten Lösungen auf Basis von erneuerbaren Energien, idealerweise mit ausgeglichener Energiebilanz und Einspeisung von Überschüssen in das Netz. Die Strategie umfasst auch eine für 100 Bezirke ausgelegte Initiative für bezahlbaren Wohnraum.
Die Wärme- und Kälteerzeugung mit erneuerbaren Energien soll bei der Überarbeitung der EU Erneuerbaren-Energien-Richtlinie im Sommer 2021 einen höheren Stellenwert erhalten. Für Gebäude erwägt die Kommission ein Mindestniveau an Energie aus erneuerbaren Quellen einzuführen.
Erste Schritte für die Renovierungswelle
Nach der Ankündigung der Renovierungswelle müssen in diesem Jahr die ersten Schritte für die Umsetzung folgen. Dazu gehören die Überprüfung der Energieeffizienzrichtlinie und der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Darin wird die Kommission eine schrittweise Einführung von Mindestvorgaben für die Energieeffizienz von Gebäuden empfehlen. Eine weitere Empfehlung wird die Verschärfung der Pflicht zur Vorlage von Energieausweisen sein.
Ferner wird sie die Anforderungen für Gebäuderenovierung auf alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung ausweiten.
Wie soll die Renovierungswelle über Deutschland rollen
Die Herausforderung für die Erhöhung der Sanierungsrate in Deutschland habe ich oben bereits angesprochen. Es braucht Anreize für Eigentümer:innen zur energetischen Sanierung. Gleichzeitig dürfen Sanierungen die Warmmiete nicht erhöhen und die Mieter:innen nicht zusätzlich belasten.
Vorbildwirkung von öffentlichen Gebäuden nutzen
Ein wichtiger Schritt in der Renovierungswelle ist die Vorbildrolle von öffentlichen Bauten mit der Sanierung von Schulen, Krankenhäusern und Verwaltungsgebäuden. Daher forderten gleich 48 Verbände in Deutschland in einem gemeinsamen Brief an die Bundesregierung, mit neuen Sonderprogrammen in die energetische Sanierung von Schulen, sowie in die Aus- und Weiterbildung von Baufachkräften zu investieren.
Mindeststandards dürfen Wohnen nicht verteuern
Die Wohnungswirtschaft sieht besonders die Mindeststandards für die Energieeffizienz von Gebäuden sehr kritisch. Sie sieht die Gefahr, dass bisher bezahlbare Wohnungen durch die Sanierungen für Mieter:innen teuer und unbezahlbar werden. Für den GdW enthält die Strategie der EU viele Maßnahmen, die Kosten und Aufwand verursachen, aber das eigentliche Problem nicht lösen. Eine Förderung hilft hier nicht, da sie nicht mit verpflichtenden Maßnahmen vereinbar ist.
Eine Lösung wäre z. B. eine Förderung, die sich an der Höhe der erzielten Einsparungen orientiert.
Mehr Erneuerbare Energien dürfen national nicht blockiert werden
Eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Energieversorgung von Gebäuden ist sicherlich ein hilfreicher Weg. Dieser darf aber nicht von der nationalen Gesetzgebung erschwert werden. Im EEG 2021 sind wichtige Änderungen im Bereich Mieterstrom auf den Weg gebracht worden. Sie sind aber nur ein erster Schritt. Insbesondere die geplante Befreiung von der Gewerbesteuer muss umgesetzt werden, damit Wohnungsunternehmen nicht unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt sind. Sonst bleibt die Umsetzung von Mieterstrom auf dem derzeit geringen Niveau.
Ein Ansatz für mehr erneuerbare Energien im Gebäudebereich bietet das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Neu ist die Integration von Photovoltaikanlagen, die sicher auch bei Sanierungen eine größere Rolle spielen werden.
CO2-Preis im Wärmesektor muss eine Lenkungswirkung haben
Seit Jahresbeginn 2021 gibt es ein Deutschland einen Preis auf die CO2-Emissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr. Derzeit beträgt er 25 Euro je Tonne CO2 und steigt jedes Jahr an. Details habe ich vor einigen Wochen in einem Beitrag über das nationale Emissionshandelssystem erläutert.
Diese Maßnahme kann sich zu einem wirkungsvollen Instrument entwickeln, wenn sie eine Lenkungswirkung hat und Anreize zur Sanierung bietet. Wenn Mieter:innen die Heizung runter drehen, ist das aber noch keine wirkliche Lenkungswirkung.
Konstruktive Vorschläge hierzu gibt es mittlerweile von der dena und der Wohnungswirtschaft. In beiden Modellen sollen Vermieter:innen in Gebäuden mit einer geringen Energieeffizienz einen höheren Anteil der Mehrkosten übernehmen. Mit steigender Energieeffizienz hingegen sollen die Mieter:innen einen höheren Anteil für den CO2-Preis bezahlen. So müssen beide Seiten den Anteil der Kosten übernehmen, auf den sie mehr Einfluss haben.
Gebäudesanierung muss ein fertiges Produkt sein
Die Sanierung von Gebäuden ist eine sehr komplexe und kleinteilige Angelegenheit. Es gibt kein fertiges Produkt, das bei Bedarf aus dem Regal genommen werden kann. Entsprechend teuer sind Sanierungen. Daher ist es umso wichtiger, dass sie die Emissionen in der Realität und nicht nur auf dem Papier deutlich reduzieren.
Ein wichtiger Schritt, um die Komplexität zu überwinden und die Kosten zu reduzieren, ist die serielle Sanierung. Was sich dahinter verbirgt habe ich vor einigen Jahren bereits ausführlich erläutert. In Deutschland hat sich unter Beteiligung der Wohnungs- und Bauwirtschaft, sowie von Startups inzwischen eine Initiative gebildet. Diese bietet heute eine Austauschplattform für interessierte Unternehmen. Erste Pilotprojekte laufen bereits.
Transparenz schaffen und Ergebnisse dokumentieren
Die Reduzierung der Emissionen ist bei Sanierungen im Gebäudebestand der entscheidende Faktor. Bislang ist nicht bekannt, wie erfolgreich die durchgeführten Maßnahmen in dieser Hinsicht sind. Es existiert noch kein systematisches Monitoring der geförderten Sanierungen. Wir wissen damit nicht, ob und wie weit sie die Emissionen dieser Gebäude reduzieren. Eine Dokumentation der Ergebnisse könnte die unterschiedlichen Auswirkungen einzelner Maßnahmen transparent darstellen.
Zuerst veröffentlicht bei energynet.de